Ultracap-Wissen
Lebensdauer von Supercaps
Ultracap-Wissen | Rainer Hake | Lesedauer: 6 Minuten
Welche Faktoren bestimmen die Lebensdauer der Ultracaps?
Die Frage nach der Lebensdauer von ULTRACAPs wird häufig gestellt. Gewöhnlich wird die Lebensdauer von EDLCs mit 1 Million Ladezyklen bei 25 °C und unter Einhaltung der Lastspezifikation angegeben. Ein Zyklus erstreckt sich üblicherweise von Vollladung auf die Hälfte der spezifizierten Spannung. (Un auf Un/2)
Im Laufe eines Supercap-Lebens verliert der Kondensator an Kapazität (C), der Innenwiderstand (ESR) steigt. Das Ende der Lebensdauer ist nach Definition dann erreicht, wenn die Kapazität bis auf 70% ihres ursprünglichen Wertes gesunken ist, oder der Innenwiderstand sich verdoppelt hat.
Elektronikentwickler interessiert insbesondere die Frage, wie sich die Lebensdauer verhält, wenn die Zyklen nur zu 25 % oder 50 % der vollen Zykluszahl genutzt werden, also eine Entladung auf 75 % oder 50 % der ursprünglichen Entladungsspannung erfolgt. Wie sehen die exakten Auswirkungen unterschiedlicher Häufigkeit von Ladung und Entladung aus? Wie wird die Lebensdauer von einer sporadischen Entladung bei Anwesenheit eines elektrostatischen Feldes und häufiger Entladung bei hohen Strömen beeinflußt?
Viele Faktoren, die den Alterungsprozeß beeinflussen
Fakt ist, dass der Alterungsprozess von Kondensatoren von verschiedenen Faktoren abhängt. Dabei spielen Temperatur, Spannung, elektrische Ströme und die Zeit eine wesentliche Rolle. Ein weiterer Einflussfaktor ist die "Diffusions-Kapazität" und der "Diffusions-Widerstand", die in diesem Wikipedia Artikal [EN: Diffusion Capacitance] genauer erläutert werden
Was beeinflußt nun die Lebensdauer von Ultracaps am stärksten?
- Umgebungstemperatur
- Zellspannung
- Lade-/Entladeströme (Zyklenhäufigkeit)
- Ladezyklen (Ladezeiten / Pausen)
Hierzu verweisen wir auf zwei öffentlich zugängliche wissenschaftliche Publikationen (siehe unten).
Entscheidender Einfluß von Temperatur und Spannung
Die Lebensdauer der SUPERCAPS wird im Wesentlichen durch zwei Parameter beeinflusst: die Temperatur und die anliegende Zellspannung. Beide Werte sollten also bei der Betrachtung der Lebensdauer und der Auslegung des Systems beachtet werden. Der untere Temperaturbereich von -40°C ist für die Supercaps geradezu ideal geeignet. Es ist nahezu kein kein nennenswerter Einfluss durch niedrige Temperaturen feststellbar. Allerdings steigt der ESR durch die geringere Ionenbeweglichkeit bei niedrigen Temperaturen an, was sich durch die Eigenerwärmung im Betrieb in der Regel aber schnell wieder ausgleicht. Die Lebensdauer der Zellen wird erst bei höheren Temperaturen, ähnlich wie bei normalen Elkos, stark negativ beeinflusst. Diesem Temperatureinfluss kann man durch die Reduzierung der Zellspannung entgegenwirken.
Nach einer Faustformel gilt: 0,1V Zellspannung entsprechen in etwa 10°C. Im Besonderen sollte dies jedoch individuell betrachtet und im Systemdesign berücksichtigt werden. Die Lebensdauerangabe von üblicherweise 10 Jahren in den Datenblättern der Hersteller bezieht sich in der Regel auf Raumemperatur und individuellen Spannungsangaben!
Beispiel: Test mit hohen Belastungszyklen
Die Lebensdauer der Großenergiespeichersysteme wie zum Beispiel in Eisenbahnen, Bussen, Kranen usw. spielt eine herausragende Rolle bei der Gesamtbetrachtung der Systemkosten. Deshalb gilt es die Zuverlässigkeit und damit die Lebenserwartung bestimmenden Parameter zu überwachen und ggf. zu steuern. Die Lebensdauer bestimmenden Parameter sind im Wesentlichen:
- Zellspannung
- Zelltemperatur
- Umgebungstemperatur
- Strombelastung der Zellen
- Zyklysierung
Insbesondere bei hoher Zyklenanzahl und großen Strömen spielt auch die Ruhephase für die Zellen eine wichtige Rolle. Die Wärmeverteilung in den Zellen und die Kühlung solcher Systeme sind deshalb besonders wichtig und bedürfen der genaueren individuellen, anwendungsabhängigen Untersuchung.
Methode: Beschleunigte Lastzyklen-Test
Die Industrieanwender haben deshalb eigene Testmethoden und Lastzyklen entwickelt, die Ihren Anforderungen am Besten entsprechen. Diese Tests sollen in möglichst kurzer Zeit die kalkulierte Lebenserwartung simulieren. Bei den "beschleunigten Lebensdauertests" geht man von anwendungsnahen, aber in der Regel im Grenzbereich der der tatsächlichen Nutzung angesiedelten Werte aus. So werden die Lastzyklen schneller und mit höheren Leistungen angesetzt. Auch eventuelle Temperaturzyklen werden parallel mit eingebracht. Die Grafik zeigt ein Beispiel eines solchen Lastzyklus.
Aktuelle wissenschaftliche Publikationen
zum Thema "Lebensdauer von Supercaps"
- Der Artikel des EPCI - European Passive Component Institute: "Supercapacitor Degradation and Life-time" August 2022 beschreibt detailliert die Auswirkungen von Spannung und Strom durch Experimente mit vielen Zyklen (>100.000) sowie über 9.000 Stunden festgestellte Auswirkungen der Temperatur im Bereich zwischen -35 °C bis 65 °C. Er behandelt auch die diffuse Kapazität und den diffusen Widerstand.
- Die Dissertation von Moritz Teuber von der RWTH Aachen aus Juni 2019 "Lifetime Assessment and Degradation Mechanisms in Electric Double-Layer Capacitors" analysiert chemische Prozesse, die die Lebensdauer beeinflussen. Die vermeintlich einfachen Daumenregeln, wonach kleine Änderungen der Spannung die Lebensdauer verdoppeln oder halbieren, werden hier hinterfragt. Die Arbeit zeigt die komplexen Zusammenhänge zwischen Spannung, Temperatur und Zeit. Unterschiedliche Materialien und Eigenschaften werden beleuchtet, auch im Hinblick auf die Lebensdauer. Die Dissertation gibt Entwicklern eine wertvolle Anleitung zur Verbesserung von Leistung und Lebensdauer.